Für satte 32 Millionen Euro wechselte André Schürrle im vergangenen Winter vom FC Chelsea aus London zum VfL Wolfsburg. In Anbetracht einer solchen Summe waren die Erwartungen bei den Wölfen an den 24-Jährigen nicht gering – bisher konnte er diesen allerdings kaum gerecht werden.
Im "Sport1"-Sonntagstalk "Doppelpass" äußerte sich Trainer Dieter Hecking kürzlich zur Situation des Rekordeinkaufs bei den Niedersachsen. "Wir haben eine Erwartungshaltung an ihn, die besser sein muss als das, was er bisher gezeigt hat."
Auch ist sich Hecking bewusst, dass "André ja selbst nicht zufrieden ist", aus der Kritik nimmt er seinen Schützling deswegen aber nicht: "Er hinterfragt viel. Er grübelt vielleicht zu viel. Er hat im Moment nicht das Gefühl für die Situation, wo er dann erfolgreich sein kann", sagte der Wolfsburger Übungsleiter mit Blick auf die verloren gegangene Unbekümmertheit des Weltmeisters. "Deshalb können wir ihn vor der Kritik nicht schützen. Die ist zum Teil auch berechtigt", so Hecking.
Der taktische Wachrüttler fand nach dem Bundesligaspiel gegen Hannover 96 (1:1) statt, eine Trotzreaktion von Schürrle blieb allerdings bis auf Weiteres aus. Weder gegen Manchester United (1:2, eingewechselt) noch in der Partie mit Borussia Mönchengladbach (0:2) – als Sturmspitze – ist es ihm gelungen, dem Trend dieser Tage entgegenzuwirken.
Mit jedem verstrichenen Spiel wird deutlicher, dass es sich längst nicht mehr nur um eine Leistungsdelle, sondern um eine waschechte Formkrise handelt ("kicker"-Notenschnitt 15/16: 4,75), die wohl dem auf der Insel entstandenen Fitnessproblem geschuldet ist.
Nur fünfmal über die volle Distanz
"Wir werden versuchen, ihn aus diesem Loch herauszuholen", wählte Wölfe-Coach Hecking laut "kicker" mitunter aber auch eine eher aufbauende denn überkritische Wortwahl. Gleichwohl steckt der Trainer in der Zwickmühle. Er sieht in Schürrle eines der viel versprechendsten Potenziale der Mannschaft, kann demgegenüber nicht ewig abwarten, bis die Leistungsexplosion stattfindet.
Schürrles bisherige Statistik im Dress der Niedersachsen ist nicht gerade weltmeisterlich: In 20 Ligaspielen ließ er es lediglich einmal im gegnerischen Kasten klingen und steuerte drei Assists bei, zwei davon direkt bei seinem Wölfe-Debüt gegen Hoffenheim (3:0). Wettbewerbsübergreifend absolvierte der schussstarke Angreifer gerade einmal fünf Spiele über die kompletten 90 Minuten. Ein teures Vergnügen für Wolfsburg und seinen Geschäftsführer Klaus Allofs.
So zeichnete sich in den letzten Monaten ein relativ klares Einsatzmuster ab: Schürrle war immer dann außen vor, wenn es wichtig wurde – also dann, wenn ein Trainer in der Regel seine beste Elf aufs Feld schickt. Sowohl in der vergangenen Woche beim Highlight in Manchester, zuvor gegen die Bayern (in Liga und Supercup) als auch im Halbfinale und Finale des DFB-Pokals 2014/15 nahm der Nationalspieler zunächst auf der Bank Platz.
Nun ist erst einmal wieder ein Abstecher zum DFB angesagt – dort erlebte Schürrle mit drei Toren beim 7:0 über Fußballzwerg Gibraltar im Juni die letzte, persönliche Sternstunde. Vielleicht gelingt es ihm erneut auf Länderebene Selbstvertrauen zu tanken und gegebenenfalls in die Liga herüberzunehmen. Bundestrainer Jogi Löw ist im Übrigen überzeugt davon, dass es bei dem Wolfsburger nur eines Knotenlösers in Form eines Ligatores bedarf, um sich vom Ballast zu lösen. Denn dann würde es gerade bei einem Stürmer auch wieder mit dem intuitiv richtigen Spiel klappen.
Aber leichter gesagt als getan: Der Nationalspieler wartet in der laufenden Saison – in allen Wettbewerben – noch immer auf seine erste Torbeteiligung überhaupt.