FC Bayern München
1. Bundesliga
Der Bayern-Plan – und was davon schon funktioniert hat

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Liebe Insider,

aufgrund der sehr hohen Resonanz zu unserer aktuellen Voraussichtlichen Aufstellung der Bayern für den kommenden Spieltag haben wir uns entschieden, euch ausführlich zu erläutern, warum wir uns so entschieden haben – und was wir unter Trainer Vincent Kompany bisher beim FC Bayern beobachten konnten.


Welche taktischen Prinzipien stecken hinter Kompanys Idee?

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass Kompany sehr im sogenannten Positionsspiel geprägt wurde, insbesondere während seiner Zeit unter Pep Guardiola, der diese Form des ballbesitzorientierten Fußballs geprägt hat wie kaum ein anderer.

Hierbei geht es darum, grundsätzlich definierte Zonen und Räume auf dem Feld zu haben, in denen abhängig von der Positionierung und dem Pressing des Gegners Freiräume erhalten werden, die dann jederzeit besetzt werden. Dazu ist viel Laufarbeit und ein gutes Kurzpassspiel gefragt, um den Gegner in Bewegung zu bekommen und Räume zu öffnen. Die Spieler sollen dabei immer beachten, dass sie dem Passgeber in den entsprechenden Räumen jederzeit mehrere Passoptionen anbieten. Dies wird überwiegend durch Positionierung in Dreiecken zueinander gewährleistet. Dazu gehört, dass in der Regel in definierten Formationen gespielt wird und die meisten Spieler klare Aufgaben haben und Bereiche auf dem Feld definiert sind, wo sie agieren sollen.

Das dazu gegensätzliche Prinzip ist das sogenannte Relationsspiel. Hierbei werden positionelle Strukturen in der Extreme komplett aufgebrochen und die Spieler auf dem Feld haben individuell sehr viele Freiheiten. Das Ziel ist, mit viel Dynamik und Überzahlsituationen in kleinen, engen Feldbereichen gegnerische Spieler zu überspielen. Deswegen ist es auch ein gutes Mittel, um intensives Pressing zu lösen.

Um die Dynamik zu erzeugen, werden individuell sehr starke Spieler gebraucht und auf bekannte Mittel wie Doppelpässe, ballnahes Überlagern und Steil-Klatsch zurückgegriffen. Ein wichtiges Element im Relationsspiel ist die kontinuierliche Bewegung der Spieler und damit das Vermeiden von Statik. Es gilt das Prinzip: Wird der Ball gepasst, wird sofort weitergelaufen in den nächsten freien Raum. Dadurch wird es dem Gegner enorm schwergemacht, Anspielstationen zu decken oder zu pressen.


Variabler Aufbau und mehr Pressingresistenz

Zurück zur Praxis: Kompany probiert aktuell aus seinem systematischen Ansatz heraus viele Elemente des Relationsspiels einzubringen. Er bricht definierte Positionen auf und lässt den Spielern viel Freiraum in der Interpretation ihrer Rolle, solange zu jeder Zeit alle Positionen auf dem Feld besetzt und die positionsspezifischen Aufgaben erfüllt werden. Eines der Ziele dahinter ist bereits gut erkennbar: den Aufbau zu stabilisieren und sich besser aus intensiven Pressingsituationen zu lösen. Das war besonders am 1. Spieltag gegen Wolfsburg noch ein großes Problem. Dort machten die Spieler viele individuelle Fehler, die auch unter Druck entstanden sind. Gegen Freiburg funktionierte das bereits deutlich besser.

Die Grundstruktur des Aufbaus war grundsätzlich ein Dreiersystem, was durch die beiden Innenverteidiger Minjae Kim und Dayot Upamecano besetzt wird und einer variablen Position. Betrachtet man zum Beispiel die Anfangsphase, kann man innerhalb von nur vier Minuten völlig unterschiedliche Aufbaustrukturen erkennen. In der 8. Minute war Manuel Neuer als zentraler Part in den Aufbau involviert. In der 9. Minute war Joshua Kimmich als zentraler Part zwischen den Innenverteidigern. In der 10. rückte schließlich Kim in die Zentrale und Aleksandar Pavlović ließ sich auf die halb-linke Position fallen. In der 11. Minute wich Kimmich nach Rechtsaußen aus und entzog sich damit gänzlich dem Aufbau, sodass Musiala sich zurückfallen ließ, um neben Pavlović und Raphaël Guerreiro ausreichend Anspielstationen im Aufbau sicherzustellen. Gleiches war später auch mit Michael Olise und sogar Harry Kane zu beobachten.

Bis auf die Innenverteidiger hatte keiner der Feldspieler eine feste Positionierung. Das führte zum Freiburger Problem, Pressingspieler richtig zuzuordnen und geordnet viel Druck auf den Aufbau zu geben. Es wurde zwar probiert – denn man konnte natürlich zuletzt erkennen, dass die Bayern auf diese Weise zu Fehlern zu zwingen sind – aber es war erfolglos. Allgemein konnte das Pressing nicht sonderlich intensiv durchgeführt werden, was auch in den Statistiken zu sehen ist. Der PPDA-Wert (passes per defensive action) beträgt 18,7, was recht hoch ist im Vergleich und damit wenig Zugriff im Pressing bedeutet. Der Aufbau der Bayern wirkte deutlich stabiler und weniger fehleranfällig.

Gut zu erkennen zum Beispiel an der Personalie Kim, die noch am 1. Spieltag deutliche Probleme (Fehlpässe und individuelle Fehlern) hatte und die LigaInsider-Note 5,0 bekam mit insgesamt 19 misslungenen Offensivaktionen und nur 60 erfolgreichen Offensivaktionen, dazu einmal Fehler vor Gegentor. Beim Spiel gegen Freiburg sieht die Welt ganz anders aus. Hier bekam er die Note 2,5 (nur neun misslungene Offensivaktionen und ganze 117 erfolgreiche).


Die Defensivarbeit wird auf mehrere Schultern verteilt

Problem Nummer eins konnte also schon einen Spieltag später gut behoben werden. Allerdings hatte das zumindest zur Folge, dass in der offensiven Gefährlichkeit etwas eingebüßt wurde. Das bringt die Methode mit, da häufig ein Offensivspieler zurückgezogen wird, um Überzahlen im Aufbau zu erzeugen. Gleichzeitig fehlt dieser dann aber vorne. Bayern spielte sich zwar trotzdem noch Chancen heraus, hatte aber entweder Probleme im letzten Pass oder Freiburg – und das gehört auch zur Wahrheit – verteidigte es am Ende gut. So blockten sowohl Lukas Kübler als auch Ritsu Doan in der eigenen Box einen sehr gefährlichen Abschluss der Bayern, der gut herausgespielt war. Den Bayern reichten dann in der Offensive ein fragwürdiger Elfmeter und zumindest eine gut durchgespielte Aktion, die Serge Gnabry mit einem schönen Pass und Thomas Müller mit höchster individueller Klasse zum Torerfolg nutzten.

Zum Spiel gehört aber genauso, dass die Bayern zu Null spielen und damit zeigen, dass sie auch die Arbeit gegen den Ball direkt verbessern konnten. Hierbei sind ebenfalls interessante Dinge zu beobachten. Kimmich, nominell Rechtsverteidiger in dieser Partie, hat auf der Position selbst wenig agiert. Teilweise konnte er auch als klassischer Rechtsverteidiger gegen den Ball agieren, wenn aber zuvor seine Position mit dem Ball entfernt davon war, agierte er im Zentrum als Innenverteidiger oder weiter vorne als Sechser. Je nachdem, wie Kimmich mit Ball positioniert war, wussten Upamecano und Gnabry, wie sie sich zu verhalten haben im Falle eines Ballverlustes, wenn sie gegen den Ball die rechte Seite verteidigen müssen.

Auf der anderen Seite war Guerreiro, der mit Ball auch viel im Zentrum oder sogar weiter in der Offensive agierte, trotzdem öfter hinten auf seiner angestammten Linksverteidiger-Position oder als halblinker Innenverteidiger. Gut zu erkennen ist das auch in den Statistiken. Während sich auf der rechten Seite die erfolgreichen defensiven Aktionen gut verteilt haben auf Kimmich (4), Upamecano (8) und Gnabry (5), hatten auf der linken Seite durch die etwas tiefere und festere Positionierung von Guerreiro (7) nur er und Kim (14) defensive Aktionen. Tel als Gegenpart zu Gnabry hatte nur eine Aktion.

Freiburg konnte zwar noch ein paar Chancen herausarbeiten und auch eine Druckphase aufbauen in der zweiten Halbzeit, wurde aber nicht mehr sehr gefährlich. Die Aufteilung auf der rechten Seite klappte trotz des Umstandes, dass es dort keine festen Spieler gegen den Ball gab, recht gut. Schauen wir uns die Feldbereiche an, in denen Freiburg den meisten expected Threat (xT) erzeugte, erkennen wir, dass der Sport-Club meistens im rechten Halbfeld der Bayern Gefahr initiieren konnte, aber nicht gefährlich auf den Flügel oder den rechten Halbraum eindringen konnte. Auch beim Blick auf Pässe in gefährliche Zonen innerhalb des letzten Drittels fällt auf, das über Bayerns rechte Seite nur ein erfolgreicher Pass in den Strafraum gelang. Die rechte Seite war also weitestgehend dicht.


Fazit

Durch das Einbauen der individuellen Freiheiten gelang es Kompany, den Aufbau pressingresistenter zu machen und individuelle Fehler zu minimieren. Ein wichtiger Faktor, der zuletzt Probleme bereitete. Leiden musste darunter zum Teil die offensive Gefahr. Hier wird der FC Bayern weiter schauen müssen, mehr Wege zu finden, Aktionen gefährlich zu Ende zu spielen. Ausreichend individuelle Qualität ist dafür allemal vorhanden.

Gegen den Ball konnte Kompany mit seinem Team trotz Neuerungen in den Positionen mehr Stabilität gewinnen und insbesondere die rechte Seite weniger anfällig machen gegen ein Freiburg, das seine gefährlichen Spieler mit Dynamik besonders über die äußeren Feldbereiche einsetzen möchte. Den Bayern muss Zeit eingeräumt werden, neue Spieler zu integrieren und neue Ideen zu verinnerlichen, umzusetzen und zu verbessern. Kompany zeigt zumindest über einen kurzen Zeitraum von drei Pflichtspielen, dass er das probiert. Im Spiel gegen Freiburg war dies auch visuell sichtbar und in den Statistiken erkennbar.

Deswegen entscheiden wir uns auch, die Startelf-Prognose zunächst nicht zu verändern, auch wenn individuell manche Spieler noch Probleme zeigten oder nicht wirklich ihre Stärken im Spiel zeigen konnten. Wir sagen aber auch klar, dass Anpassungen in der Startelf gut möglich sind, da in Interviews schon davon gesprochen wurde, solche gegnerabhängig in Betracht zu ziehen und der FCB wie auch viele andere Mannschaften nun in die europäischen Wettbewerbe einsteigt und Rotation ein Faktor werden wird.

Wir hoffen, dass wir euch einen tieferen Einblick liefern konnten und versichern euch, dass alle unsere Entscheidungen wohl überlegt und gut recherchiert und mit vielen Experten in der Redaktion durchgesprochen werden.

Dieser Text wurde von LigaInsider-Experte Bryan verfasst.