Nach seinem Wechsel von Bayer Leverkusen zum BVB hatte Gonzalo Castro große Anlaufprobleme. Sein Transfer wurde im mildesten Fall als Missverständnis abgestempelt, viel häufiger fiel in den ersten Wochen dagegen der Begriff des Fehleinkaufs. Schnell wurde über eine Rückabwicklung in naher Zukunft spekuliert.
Aber der 28-Jährige nahm die Startschwierigkeiten demütig hin, arbeitete beharrlich an sich selbst und kriegte letztendlich die Kurve. Seit Herbstbeginn – spätestens seit dem 7:1-Pokalerfolg über Paderborn, als er zwei Tore und zwei Vorlagen beisteuerte – zeigte Castro ein ums andere Mal, wie wertvoll er für seinen neuen Arbeitgeber sein kann. Ein Aufstieg, der vor allem dank positioneller Veränderung beziehungsweise der Vielseitigkeit des Spielers seinen Lauf nahm.
Missglückter Beginn
Lange Zeit hatte es im Ruhrgebiet nicht nach dieser Entwicklung ausgesehen. Schon die Saisonvorbereitung verlief problematisch. Der fünffache Nationalspieler tat sich schwer, seine Rolle im von Trainer Thomas Tuchel praktizierten Ballbesitzfußball zu finden, hatte darüber hinaus im Kampf um einen Platz im Team nicht eingeplante Konkurrenz.
Castro wurde zu einem Zeitpunkt verpflichtet, als sicher galt, dass Ilkay Gündogan die Borussia verlassen wird – der Abgang wurde sogar offiziell verkündet. So galt der Elf-Millionen-Euro-Einkauf vom Werksklub als Nachfolgelösung die den abwanderungswilligen Strippenzieher. Bekannterweise kam es anders. Und zu allem Überfluss gelang Julian Weigl mit seiner unbekümmerten Art im defensiven Mittelfeld die Blitzintegration, sodass Castro zumeist in die Röhre schaute.
Seinen Tiefpunkt erlebte der Neuzugang wohl im Europa-League-Qualifikationsspiel gegen Odds BK (4:3). In der rechten Außenverteidigung schien er stellenweise überfordert und wurde bereits zur Halbzeit ausgewechselt. Im Nachhinein räumte Castro ein, "all das, was so ein Wechsel mit sich bringt, ein bisschen unterschätzt" zu haben.
Neue Position bringt die Wende
Offenbar durchlebte der Allrounder anschließend eine erfolgreiche Zeit der Neubesinnung, wobei der leistungstechnische Turnaround mitunter einem Zufall geschuldet war. Beim Auswärtsspiel in Hoffenheim (1:1), seinem ersten Startelfeinsatz in der Liga, wechselte Castro nach der Herausnahme von Marco Reus ins offensive Mittelfeld, wo er unter anderem mit einem Assist zu gefallen wusste. Bei Tuchel und seinem Trainerteam verfestigte sich die Anschauung, dass der Neuling weiter vorne zunächst besser aufgehoben sein könnte.
Seitdem kam Castro in Liga, DFB-Pokal und Europa League viermal auf der rechten Außenbahn und zweimal im offensiven Mittelfeld zum Einsatz. Mal spielte er für Reus, mal für Henrikh Mkhitaryan. "Offensiver kann er etwas kreativer und freier spielen", verriet der Coach vor einiger Zeit im "kicker". Tuchel weiter: "Unsere Absicht war, ihm etwas Ballast zu nehmen."
Augenscheinlich ist dieses Unterfangen geglückt. Castro hat in einer Phase der Dauerbelastung mit vielen englischen Wochen endlich Oberwasser bekommen, sieht man einmal von der 1:3-Pleite gegen den HSV ("kicker"-Note 4,5) ab. Was die Statistiken anbelangt, bringt er seit dem Hoffenheim-Spiel ein Tor und vier Vorlagen aufs Tableau. Jetzt, da sich der U21-Europameister von 2009 beim BVB als besonders vielseitig einsetzbarer Mittelfeldakteur erwiesen hat, kann er gewiss auch in Sachen Einsatzzeit in eine deutlich freundlichere Zukunft bei den Westfalen blicken.