In der gestrigen Champions-League-Begegnung zwischen Bayer Leverkusen und BATE Borisov (4:1) tat sich Hakan Calhanoglu als Doppeltorschütze hervor, überzeugte dabei auch vom Elfmeterpunkt. Eine Qualität, die er aller Standardfähigkeiten zum Trotz in der abgelaufenen Saison mit zum Teil schmerzlichen Konsequenzen (Bayer musste gegen Atlético Madrid im Achtelfinale der Königsklasse nach Elfmeterschießen die Segel streichen) vermissen ließ.
In einer umformierten Leverkusener Mannschaft hatte der 21-Jährige hier und da sogar seine kreativen Momente, was bei ihm in der Vergangenheit des Öfteren ein Ansatzpunkt für Kritik war. Aber ungeachtet des verbesserten Auftritts ist und bleibt seine größte Stärke wohl nach wie vor die – durchweg als Waffe etikettierte – Freistoßkunst.
Im Gespräch mit Calhanoglu, der in 68 Bundesliga-Spielen bereits elf Freistoßtreffer verbucht, legt die "FAZ" einen Schwerpunkt auf sein außergewöhnliches Schusstalent.
"Ich weiß, dass ich mit meinen Freistößen ein Spiel entscheiden kann."
Zunächst konstatiert der türkische Nationalspieler, dass er die Fähigkeiten grundsätzlich seinem Vater und dem ehemaligen Fußballprofi Stefan Groß zu verdanken hat. Während Calhanoglu mit Ersterem auf einem öffentlichen Käfigplatz mit rechts und links "ballern, ballern" musste, half Letzterer – als Trainer von Waldhof Mannheim – ihm vor allem in Sachen Fußhaltung.
Diesbezüglich geht der Leverkusener ins Detail: In der Regel schieße er die Freistöße mit dem Innenspann, schwingt dabei den Fuß richtig durch, stoppt also die Bewegung nicht ab. Das Standbein bleibe beim Schuss stets durchgestreckt. "Mit durchgedrücktem Standbein bewegt sich der Körper viel weniger", so die Einblicke des schussgewaltigen Mittelfeldspielers, "dadurch wird die Präzision der Bewegung höher und die Wahrscheinlichkeit, den Ball genau dort zu treffen, wo man ihn treffen will."
Wenngleich er aus dem Spiel heraus mitunter manchmal das Gefühl habe, mit links härter schießen zu können als mit rechts, gibt Calhanoglu an, Freistöße immer mit rechts zu schießen. "Niemals" mit links, auch wenn es die Position auf dem Feld hergeben würde. Dann überlasse er die Sache lieber einem anderen Schützen.
In der Folge geht der einstige HSV-Profi noch auf die verschiedenen Schussvarianten ein. Während er um den Strafraum herum versuche, "den Ball immer mit dem Innenspann über die Mauer zu zirkeln", bevorzuge er auf eine Distanz von 30 bis 35 Metern natürlich den wuchtigen Vollspannschuss, bei dem er das Leder idealerweise auf einen Flatterflug schickt.
Darauf angesprochen, wie man die Bälle zum Flattern bringt, wartet Calhanoglu abschließend noch mit einem gewöhnungsbedürftigen Vergleich auf: "So wie Sie Ihre Frau streicheln, streichele ich den Ball mit dem Fuß.
Um seine Technik immer weiter zu verfeinern, erfolge mindestens dreimal die Woche Freistoßtraining (je 10-20 Schüsse von links und rechts) mit Co-Trainer Daniel Niedzkowski, der das Geschehen häufig aufzeichne, um hinterher Kleinigkeiten hinsichtlich "Körperhaltung, Fußhaltung, Balltreffpunkt" zu analysieren und zu optimieren.
Alles in allem sieht sich Calhanoglu als Freistoßschütze als eine Mischung aus David Beckham und dem ehemaligen brasilianischen Nationalspieler Juninho, von denen er sich jeweils etwas abgeschaut habe – vom Engländer das gestreckte Standbein, vom Südamerikaner dagegen den Flatterball.