Derzeit hält sich Johannes Geis im Kreise der U21-Nationalmannschaft auf, die Fußball-Deutschland dieser Tage im Rahmen der laufenden Europameisterschaft in Verzückung versetzt. Der älteste Nachwuchsjahrgang erreichte durch ein 1:1 gegen Gastgeber Tschechien das Halbfinale und buchte damit zugleich das Ticket für die nächsten Olympischen Sommerspiele (2016 in Rio) – zum ersten Mal seit 1988.
Gestern sorgte eine ganz anders gelagerte Meldung in Bezug auf den Noch-Mainzer für mediales Aufsehen: Der FC Schalke 04 bestätigte offiziell, dass der 21-jährige Mittelfeldstratege vom Bruchweg ins königsblaue Revier wechselt. Dem Vernehmen nach werden dafür mindestens 10 Millionen Euro Ablöse nebst eventuellen Bonuszahlungen sowie jährlich schätzungsweise drei Millionen Euro an Gehalt fällig.
Was genau hat den hoch umworbenen Spieler dazu bewogen, sich für Gelsenkirchen zu entscheiden? Schließlich waren Medienangaben zufolge auch namhafte und nicht minder finanzkräftige Champions-League-Teilnehmer wie Borussia Mönchengladbach, Borussia Dortmund, Atlético Madrid oder Lazio Rom am aufstrebenden Jungstar interessiert.
Keine neuen Ufer
Im Sinne eines Ausschlussverfahrens machte zunächst einmal die Entscheidung gegen das Ausland einen Faktor aus. Ein nächster Karriereschritt sollte es zwar sein, aber innerhalb der Bundesliga. Wenngleich Geis bei den Rheinhessen bereits den Status eines Führungsspielers innehatte und bisweilen auch die Kapitänsbinde trug, handelt es sich bei ihm noch immer um einen jungen Spieler in der Entwicklung.
So schien es sinnvoller, den Reifungsprozess im vertrauten Klima des Oberhauses voranzutreiben, anstatt jetzt in die Fremde aufzubrechen und womöglich den ersten Karriereknick hinnehmen zu müssen. Beim spanischen Vorjahresmeister Atlético Madrid, der angeblich zu einer Zahlung in Höhe von 15 Millionen Euro bereit war, hätte etwa die Gefahr bestanden, in einem ungeduldigen Umfeld in der Masse unterzugehen.
Kein Tuchel-Effekt
Bliebe also noch die ligainterne Konkurrenz, in erster Linie der BVB. Dem Schalker Revierrivalen wurden lange Zeit gute Chancen im Rennen um Geis ausgerechnet, spätestens seit Bekanntwerden der Verpflichtung von Thomas Tuchel als neuem Trainer. Unter dem einstigen Mainz-Coach stieg Geis vor zwei Jahren zum Stammspieler auf.
Nach dem Transfer von Gonzalo Castro sahen die Schwarz-Gelben jedoch wenig Sinn darin, für dieselbe Position nochmals tief in die Tasche zu greifen. Denn vor der Abwehr ist mit Castro, Sven Bender, Nuri Sahin, (gegebenenfalls) Matthias Ginter, Oliver Kirch, Milos Jojic und Moritz Leitner bereits ein großzügiges Aufgebot vorhanden, zudem zeichnet sich ein Verbleib von Ilkay Gündogan ab. "Der Westen" berichtete überdies, dass die BVB-Führung im Gegensatz zum blau-weißen Konkurrenten nicht gewillt war, den Mainzern die geforderten Beteiligungsrechte bei einem späteren Geis-Verkauf einzuräumen.
Einsatzgarantie im Ruhrgebiet
Das ausschlaggebende Argument pro Schalke betraf jedoch die sportliche Perspektive. Bei den Gladbachern reißt zwar die Rückkehr von Christoph Kramer nach Leverkusen eine Lücke ins defensive Mittelfeld, gleichwohl bleibt den Fohlen mit Granit Xhaka der Chef im defensiven Mittelfeld erhalten. Zudem ist noch gar nicht klar, ob Neuzugang Lars Stindl in offensiver Position – wie in Hannover – oder nicht doch für die Zentrale vorgesehen ist, sodass für Geis im schlechtesten Fall Arbeitsteilung vorprogrammiert wäre. Der Klub vom Niederrhein setzte seinerseits zuletzt ohnehin einen stärkeren Fokus auf den Nachschub in der Innenverteidigung und im Sturm.
Bezüglich des Engagements auf Schalke besteht dagegen kaum ein Zweifel daran, dass dem gebürtigen Schweinfurter vom Fleck weg eine Führungsrolle zukommen wird. Die defensiven Mittelfeldspieler konnten sich in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckern: Dennis Aogo und Roman Neustädter präsentierten sich formschwach, Marco Höger hatte im Zuge der Suspendierungsaffäre abseits des Platzes an Ansehen verloren und Leon Goretzka kam nach langwieriger Verletzung noch nicht richtig in Schwung.
Die Knappen müssen nach der desolaten Schlussphase der abgelaufenen Saison künftig – insbesondere spielerisch – einen neuen Kurs einschlagen. Das weiß auch Geis, der als Sechser eine der essenziellen Positionen des modernen Fußballs besetzt. In der Gelsenkirchener Problemzone ist ihm daher ein Stammplatz im Grunde garantiert. "Auf Schalke kann etwas Neues entstehen, dazu möchte ich meinen Teil beitragen", zitierte die "BILD"-Zeitung den Kunstschützen nach Verkündung des Wechsels. Gelingt ihm dies, würden Fans und Klubführung es ihm sicherlich danken.