Der Raumdeuter – unter den aktuellen Spielern in der Bundesliga ist es besonders Thomas Müller, dem dieser Begriff anhaftet. Ein Begriff, der – wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt – die Bedeutung des Raums im modernen Fußball widerspiegelt. In welchem Raum muss sich ein Spieler aufhalten, um dem Gegner wehzutun? Wo entsteht Momente später überhaupt erst gefährlicher Raum, der dem Gegner noch gar nicht bewusst ist.
Raum ist gewiss nicht alles, auch der Zeitfaktor kommt zum Tragen. Das Timing muss stimmen! Es geht um Antizipation der Spielsituation, ein Gespür für die Abläufe im Fußball. Und darum, die Entscheidungen danach auszurichten. Kurzum: Es geht darum, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, defensiv wie offensiv. Eine simple Erfolgsformel.
Nun gibt es in den Teams Spieler mit unterschiedlichen Qualitäten in der Kontrolle des Spiels und auch im Hinblick darauf, wie sie sich im taktischen Gefüge verhalten. Jene Spieler aber, welche darin brillieren, den Raum zu kontrollieren, werden zu wahren Gamechangern für ihre Vereine. Für sie tauchte zuletzt der Begriff „Space-Eater“ (nicht zu verwechseln mit der Metal-Band Space Eater) auf, frei übersetzt: Raumfresser.
Diese „Space-Eater“ sind angesichts ihres Wertes für die jeweilige Mannschaft auch aus Fansicht und für Managerspiele interessant, weshalb wir von LigaInsider im Rahmen einer Analyse ein paar Spieler aus der Bundesliga vorstellen wollen, die zu dieser Definition passen.
Eigenschaften der „Space-Eater“
Zunächst ein paar Aspekte zur Definition. Für die Eigenschaften, die einen Fußballer auszeichnen müssen, um ihn als „Space-Eater“/Raumfresser zu bezeichnen, haben wir Beiträge der Fußball-Analysten SilvaOB und Gaurav Krishnan herangezogen:
Breite Raumabdeckung: Geschwindigkeit und Ausdauer, um sich kontinuierlich in großen Räumen bewegen zu können
Zweikämpfe: Gute Zweikampfstärke und hoher Zweikampfradius
Explosivität auf den ersten Metern
Raumverhalten: Fähigkeit, den Raum für die Gegner zu minimieren und in Angriffsphasen Raum für seine Mitspieler zu erzeugen
Physis: im Idealfall lange Beine als Größenvorteil und ein stabiler Oberkörper, um auch unter Druck die Zweikämpfe dominieren zu können
Bei einem Raumfresser handelt es sich also nicht einfach um defensive Raumdeuter, sondern dieses Phänomen kann offensive Spielertypen wie beispielsweise Jude Bellingham und defensiv ausgerichtete Spieler wie N'Golo Kanté beschreiben. Die Mischung aus physischen Eigenschaften und Dominanz in breiten Räumen zeichnet diese Art von Spielern aus.
Raumfresser in der Bundesliga
* Summe aus Versuchtes Tackle, Abgefangener Ball, Geblockter Schuss, Geklärter Ball und Geblockter Pass pro Spiel
** in Prozentangaben
Nun zu den „Space-Eaters“ in der Bundesliga. Aus den genannten Charakteristiken können wir hierfür die wichtigen Statistiken auslesen. Der Spieler muss physisch stark, im besten Falle groß sein, dazu einen breiten Radius an Defensivaktionen mit hoher Frequenz und Erfolgsquote haben. Im Folgenden werden die herausstechenden Spieler behandelt.
Offensive Raumfresser
Unter den in der Tabelle aufgeführten Spielern zeigen Mattias Svanberg, Éric-Junior Dina-Ebimbe und Janik Haberer im Vergleich eine geringere Anzahl an defensiven Aktionen. Dafür haben die Spieler einen großen Aktionsradius. Auffällig ist, dass Haberer bei den berücksichtigten Werten mit 78,26 Prozent die beste Erfolgsquote („Zweikampfquote“) aller dargestellten Spieler aufweist.
Defensive Raumfresser und Hybrid Haidara
Hier sind vor allem Anton Stach und Tom Krauß zu nennen. Sie kommen im Schnitt pro Spiel mit einem durchaus großen Abstand auf die meisten Defensiv-Duelle (Summe der Werte Versuchtes Tackle, Abgefangener Ball, Geblockter Schuss, Geklärter Ball und Geblockter Pass pro Spiel).
Bei Krauß, der zu den meisten Tackles (3,9/Spiel) ansetzt, sind es insgesamt 8,34 Defensiv-Duelle je Partie, bei Stach, der bei Klärungsaktionen (2,25) und abgefangenen Bällen (2,88) top ist, sind es in der Summe 8,92. Aber Vorsicht: Stach hat unter den berücksichtigten Spielern mit 48,65 Prozent eine der schlechtesten Erfolgsquoten. Nur Svanberg schneidet hier schlechter ab.
Als gute Offensiv-Defensiv-Mischung erweist sich Amadou Haidara. Dazu gleich mehr.
Doppelte Power in Mainz
Auch grafisch haben wir die Aktionen einiger „Space-Eater“ beleuchtet und versucht, Hauptzonen bzw. Cluster herauszufiltern (jeweils zwei Spielergrafiken nebeneinander). Bleiben wir bei Krauß und nehmen seinen Mainzer Vereinskollegen Leandro Barreiro dazu. Dass der Luxemburger in dieser Analyse auftaucht, unterstreicht, warum er in der bisherigen Saison im Zentrum der Nullfünfer gesetzt war.
Krauß hat sich erst im Verlauf der Hinrunde in die Anfangself gespielt und kommt logischerweise auf weniger Spielzeit als sein Teamkamerad. Es ist jedoch der subjektive Eindruck entstanden, dass unter dem neuen Coach Jan Siewert die Zeit des Sommerneuzugangs gekommen ist.
Die Raumfresser-Analyse kann zumindest als Beleg herhalten. In der Grafik zeigt sich, dass der 22-Jährige in der eigenen Hälfte beide Halbräume und fast die komplette Breite abdeckt. Zusammen mit Barreiro, bei dem der Ballungsraum eher am Strafraum liegt und der die bessere Erfolgsquote hat (72,41 vs. 56,76 Prozent), ergibt sich ein starkes „Space-Eater“-Duo.
Stach und Haidara räumen großflächig auf
Setzen wir auch bei den zuvor erwähnten Stach und Haidara an. Ähnlich wie Krauß hat Stach eine enorme Breite in seinen defensiven Aktionen. Er deckt vor allem die linke Hoffenheimer Seite, also die rechte Seite des Gegners, sehr stark ab. Dennoch hat er in der eigenen Box viele Klärungsaktionen. Und dazu eine Körpergröße von 1,94 Meter – ein Spieler wie gemacht für den Begriff Raumfresser!
Leipzigs Haidara deckt das Feld in der Breite ebenso gut ab. Er rückt auf beiden Seiten raus, um dort Überzahl zu erzeugen. In puncto Erfolgsquote (70,59 Prozent) spielt er oben mit.
Palacios kann mehr als nur passen
In der letzten Doppelgrafik sind die Ballungsräume von Exequiel Palacios und Ellyes Skhiri veranschaulicht. Der Frankfurter dürfte wohl zu den Akteuren zählen, die einem bei dem hier behandelten Thema in den Sinn kommen, ohne dass statistische Analysen herangezogen werden müssen. Er ist eines der Laufwunder der Liga, defensiv stark und gleichzeitig oft ein Faktor in offensiven Abläufen.
Leverkusens Palacios, Mittelfeldpartner von Granit Xhaka, verteidigt hauptsächlich den rechten Halbraum und beweist, dass er mehr als nur ein starker Passgeber ist. Nicht ohne Grund ist er Nationalspieler Argentiniens, immerhin amtierender Weltmeister. Palacios kommt bei der Werkself außerdem auf viele Aktionen in der gegnerischen Hälfte.
Schlusswort
Die „Space-Eater“ sind wichtige Faktoren für das moderne Spiel, was die jeweiligen (Startelf-)Einsatzzeiten der dargestellten Spieler alles in allem untermauern. Deshalb können hier grundsätzlich auch Empfehlungen für Kickbase und andere Managerspiele ausgesprochen werden.
In Mainz überzeugen Barreiro und Krauß im Doppel mit diesen Qualitäten, wobei Krauß mehr Aktionen hat. Ihm könnte zudem die Zukunft in Mainz gehören, wohingegen sich Barreiro gegen eine solche am Bruchweg entschieden haben soll: Laut Medienberichten verlässt er den Verein im Sommer. Falls es also zu Bewegung im Mittelfeldzentrum kommt (zum Beispiel, weil Dominik Kohr Druck macht), könnte es auch deshalb eher Barreiro statt Krauß sein, der weichen müsste.
In Leipzig, so zeigt die Analyse, fungiert Haidara als wichtiger Stabilisator für das aggressive Pressing der Roten Bullen. Sein Fehlen könnte Leipzig in den nächsten Begegnungen zu spüren bekommen – bekanntlich befindet er sich für den Afrika-Cup beim Nationalteam Malis.
Nach der Rückkehr sollte er mit seinen Fähigkeiten aber wieder zum heißen Kandidat für die Startelf avancieren. So, wie es in der Hinrunde der Fall war: Haidara hatte die ersten Wochen aufgrund eines Muskelfaserrisses in der Wade verpasst, dann aber Kevin Kampl auf Bundesligaebene weitgehend verdrängt.
Erwähnenswert: Freiburgs Stammkraft Nicolas Höfler hat mit 73,91 Prozent die zweitbeste Erfolgsquote nach Haberer.
Aufgepasst: Svanberg war in der laufenden Spielzeit bisher fester Bestandteil der Stammelf. Ob er zum Re-start nach der Winterpause in der Startelf steht, scheint gegenwärtig aber unsicher zu sein. Er streitet wohl mit Aster Vranckx um einen Platz neben Maximilian Arnold.
Herausgestochen in der „Space-Eater“-Analyse hat Hoffenheims Stach. Auch hier dienen die gewonnenen Erkenntnisse als Beleg für die vielen Einsatzzeiten des 25-Jährigen. Schließlich sind die Plätze im Hoffenheimer Zentrum hart umkämpft: Florian Grillitsch, Grischa Prömel und Andrej Kramarić, der diese Saison häufig aus dem zentralen Mittelfeld heraus agiert, sind keine Laufkundschaft.
Stach ist in der Lage, einen großen Raum zu kontrollieren und abzudecken (36 Prozent Raumabdeckung!), um seine Mannschaft zu stabilisieren. In Verbindung mit seinen offensiven Qualitäten kann er ein wichtiger Spieler für die Rückrunde der TSG werden.
Die Ausarbeitung der Daten und die Taktikbetrachtung erfolgte über unseren Analysten Lennart Susemiehl.