Borussia Dortmund | 1. Bundesliga

Countdown: Borussia Dortmund

13.08.2015 - 09:09 Uhr Gemeldet von: Kristian Dordevic | Autor: Kristian Dordevic

Nach sieben Jahren Jürgen Klopp beginnt bei Borussia Dortmund eine neue Zeitrechnung. Der Kulttrainer nahm die bis in die Rückrunde reichende Krise zum Anlass, im Sinne des Vereins seinen Hut zu nehmen. Am Ende der Saison 2014/15 wurde mit Platz sieben und der Qualifikation für die Europa League das Optimale herausgeholt, ein DFB-Pokal-Titel zum Abschied blieb dem aktuell pausierenden Coach verwehrt.

Auf ihn folgt Thomas Tuchel, wie Klopp ein ehemaliger Übungsleiter von Mainz 05. Im Gegensatz zum abgedankten BVB-Trainer, der für pure Emotion stand, gleicht der Neue eher einem Fußballwissenschaftler. Aber nichtsdestotrotz überzeugt er bisher mit seiner offenen Art, die Resonanz in den schwarz-gelben Reihen ist überaus positiv: Gleich zu Beginn knackte der Klub im ersten Heimspiel der Saison (5:0 gegen Wolfsberger AC) mit 63.000 Besuchern den Zuschauerrekord für eine Qualifikationsrunde der Europa League.

Die Vorfreude und Erwartung, dass Tuchel den Verein zurück in die Spitzengruppe der Bundesliga führt, ist im Ruhrgebiet jetzt schon spürbar.

Der Kader: Punktuelle Verstärkungen

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Schwerer angeschlagen
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Von dem in den Medien teils groß angekündigten personellen Umbruch war in der Sommerpause wenig zu sehen. Dortmund verzeichnet jeweils sechs Zu- und Abgänge (Leihspieler eingeschlossen), nur bei Hertha BSC und dem FC Ingolstadt hat sich weniger getan. Bis zum Ende der Transferperiode (31. August) könnte sich möglicherweise im Fall von Moritz Leitner oder Urgestein Kevin Großkreutz, dessen Kooperation mit dem Verein dieser Tage unter keinem guten Stern steht, noch etwas bewegen.

"Vor dem Hintergrund des neuen Trainers sehen wir keinen Bedarf für große Veränderungen", nennt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke gegenüber "kicker" den Grund für die Zurückhaltung auf dem Spielermarkt. Dank Tuchel steht bei den Westfalen nicht alles, aber vieles auf null, jeder Spieler kann oder muss sich neu beweisen. Das Beispiel 19-jährigen Neuzugangs Julian Weigl – der defensive Mittelfeldspieler wurde in den ersten beiden Pflichtspielen der Saison Gonzalo Castro und Sven Bender vorgezogen – zeigt, dass der Trainer unvoreingenommen zu Werke geht.

Bis auf Sebastian Kehl, der mit 35 Jahren seine Karriere als aktiver Fußball für beendet erklärt hatte, verlor die Borussia keinen ihrer Leistungsträger. Den kaum zum Zuge gekommenen Milos Jojic verschlug es nach Köln, der enttäuschende Ciro Immobile spielt jetzt leihweise beim FC Sevilla und Ersatzkeeper Mitchell Langerak versucht sich künftig in Stuttgart an einem Stammplatz.

Ein neuer Torhüter kam von Absteiger SC Freiburg: Der Schweizer Nationalspieler Roman Bürki liefert sich mit Altmeister Roman Weidenfeller einen offenen Konkurrenzkampf, wie es im Klub heißt, gilt aber in Fachkreisen auf absehbare Zeit als die neue Nummer 1 im BVB-Kasten. Gespannt sein darf man indes, ob eine nicht ausgeschlossene, in Deutschland ungewöhnliche Arbeitsteilung nach spanischem Vorbild (Liga vs. Pokalwettbewerb) realisiert wird.

Der vermeintliche Königstransfer findet sich mit Castro in der Mittelfeldabteilung. Elf Millionen Euro kostete der Ur-Leverkusener, bei dessen Vertragsunterschrift beide Seiten im Grunde davon ausgingen, dass Ilkay Gündogan wie angekündigt seiner Wege ziehen wird. Doch aus dem monatelangen Wechseltheater sprang nichts Zählbares heraus, im Endeffekt bewog Tuchel ihn sogar zu einer Vertragsverlängerung bis 2017. Nun spielt der DFB-Nationalspieler im Konzept des Fußballlehrers eine Hauptrolle.

Und was wird aus dem eigentlich als Gündogans Nachfolger auserkorenen Castro? Der 28-Jährige gilt auf dem Feld als enorm variabel, könnte beispielsweise auch hilfsweise die Position des Rechtsverteidigers bekleiden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Tuchel gerade im Mittelfeld viel durchmischen wird, weil ihm hier einerseits überaus viel Qualität zur Verfügung steht und andererseits – im Erfolgsfall – mit einer sehr langen, kräftezehrenden Saison zu rechnen ist. Zwei Pflichtspiele haben die Schwarz-Gelben der Bundesliga-Konkurrenz jetzt schon voraus.

Das absolute Prunkstück des Champions-League-Finalisten von 2013 ist die Offensivabteilung. Aktuell deuten die Lobgesänge des Trainers und die Leistungen auf dem Platz darauf hin, dass der viel gescholtene Henrikh Mkhitaryan neben dem kongenialen Duo Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang in Sachen potenzielle Stammelf die Nase vorn hat.

An vorderster Stelle ist die Personaldecke demgegenüber etwas dünn. Außer dem Gabuner Aubameyang stehen mit Adrián Ramos, auf den Tuchel dem Vernehmen nach viel gibt, und Marvin Ducksch nur zwei nominelle Mittelstürmer im Kader. Sollte es wirklich mal knapp werden, wäre der Coach aber dem Konzept der falschen Neun keineswegs abgeneigt.

Fragezeichen wirft die Personalie Nuri Sahin auf. Ging man im Februar noch von einer kurzen Ausfallzeit des 26-Jährigen aus, setzten die Adduktorenbeschwerden den Türken über Monate hinweg außer Gefecht. Vor etwa drei Wochen nahm er zumindest das Lauftraining wieder auf, den weiteren Verlauf gilt es indes abzuwarten.

Stärken und Schwächen

Stärken

Offensiv wird bei den Borussen immer etwas gehen, das garantiert das hervorragend besetzte Mittelfeld. Schon im letzten Jahr gab man nach Bayern München ligaweit die meisten Torschüsse ab.

Temporeichen Umschaltfußball hat die Mannschaft unter Ex-Coach Klopp verinnerlicht, mit dem von Tuchel favorisierten Ballbesitzfußball erweitert sie nun ihren strategischen Horizont. So werden sich künftig auch gegen massiv verteidigende Gegner mehr Lösungsansätze finden lassen.

In der Abwehr bedeuteten 53 Prozent gewonnener Zweikämpfe (bei gegnerischem Ballbesitz) in der Vorsaison ebenfalls den zweitbesten Ligawert.

Schwächen

Hinsichtlich der gegnerischen Standards legten die Dortmunder häufig ein zu nachlässiges Abwehrverhalten an den Tag, anfällig waren sie vor allem nach Ecken (6 Gegentreffer). Bei eigenen Freistößen sprang im Übrigen kein direkt erzieltes Tor heraus.

Was die Klopp-Truppe in der vorigen Saison mitunter in die Krise trieb, war ihr verschwenderischer Umgang mit Torchancen. Die Quote 2014/15 ist im unteren Segment des Oberhauses anzusiedeln.

Sportliche Führung

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Ein von Borussia Dortmund (@bvb09) gepostetes Foto am

Um Thomas Tuchel, der in der vergangenen Spielzeit ein Sabbatjahr einlegte, entstand im ersten Halbjahr 2015 ein regelrechter Hype. Vereine rissen sich um den 41-Jährigen, der Hamburger SV wähnte sich im Werben schon als Sieger. Bekommen hat ihn bekanntlich Dortmund, wo der vormalige Mainzer fortan einen dominanten Ballbesitzfußball etablieren will.

Sichtbar wurde dies schon in der Europa League gegen Wolfsberg, als lange BVB-Ballstafetten das Spiel prägten. In diesem frühen Saisonstadium fehlten teilweise aber noch die Ideen.

Ein Haus- und Hofsystem wird es in diesem Zusammenhang aber nicht geben. Tuchel steht für taktische Flexibilität, Innovation und mehrere Spielprinzipien.

Testspiele

In acht Testpartien erlaubte sich der Ruhrklub nur einen Ausrutscher gegen Bochum (1:2), alle anderen Partien endeten erfolgreich. Die überzeugendste Vorstellung lieferte das Team dabei wohl gegen Juventus Turin (2:0) ab.

Die BVB- Torschützenliste war dabei wie in der Liga von den Stars geprägt: Aubameyang (7 Tore) und Reus (4) trafen am häufigsten.

kicker-Managerspiel

Zum Pflichtkauf für jeden Manager gehört in diesem Jahr ohne Frage Julian Weigl (800.000 Euro), der in der Vorbereitung Größen wie Sven Bender oder Neuzugang Gonzalo Castro verdrängte und wohl gute Chancen auf einen Platz in der Startelf unter Thomas Tuchel hat.

Aber auch Ilkay Gündogan, der seinen Vertrag um ein Jahr verlängerte und nun doch beim BVB bleibt, gehört für 3,5 Millionen Euro in diese Kategorie. Der Nationalspieler ist zwar verletzungsanfällig, Potential zum Punktegaranten ist aber ohne Frage vorhanden.

Aber auch auf Jonas Hofmann darf ein Auge geworfen werden: Der Rückkehrer aus Mainz durfte im wichtigen Hinspiel der Qualifikation zur Europa League ran, erzielte einen Treffer. Er wird sich zwar gegen namhafte Konkurrenz durchsetzen müssen, allerdings kostet er auch nur 1,6 Millionen Euro.

Fazit

"Wir sehen uns als Herausforderer der letztjährigen Top 4 ", verriet Tuchel kürzlich im "kicker", wohin die Reise führen soll. Und es macht in der Tat den Anschein, als habe der Verein die bittere Lektion des Vorjahres gelernt. Oben ist wieder mit Dortmund zu rechnen, zumal das Team dank Europa-League-Quali mit mehr Pflichtspielpraxis in die Bundesliga startet.


  • KOMMENTARE
  • 13.08.15

    Die Kombination aus miserabler Chancenverwertung und Anfälligkeit bei Standards ist halt das große Problem. Vorne die Dinger nicht machen und hinten dann ein dummes Freistoß- oder Eckballtor kassieren. Da kannst du spielerisch überlegen sein wie du willst. Bei der Chancenverwertung habe ich schon länger die Hoffnung aufgegeben (da fehlt meiner Meinung nach einfach ein richtiger Knipser), aber wenn die Abwehr endlich wieder stabil wird sehe ich gute Chancen auf eine gute Platzierung diese Saison.

  • 13.08.15

    " [...]im Endeffekt bewog Tuchel ihn sogar zu einer Vertragsverlängerung bis 2017" - na ob Gündogan wegen Tuchel geblieben ist, mag ich bezweifeln. War sicherlich einer vieler Gründe ;-)

    Sonst super Artikel, dem ich nur zustimmen kann!